Die Gastfreundschaft mit ehrenamtlichen Gastgeberorganisationen, Häusertauschplattformen und Mitwohnzentralen erlebt eine Renaissance
ZWEI TAGE ZU GAST
Familie Dieringer-Sinnhuber reist gern zu privaten Quartiergebern und bekommt auch Besuch aus der ganzen Welt.
Auf einer Basis von Geben und Nehmen funktioniert auch die ehrenamtliche Gastgeberorganisation SERVAS. Die Anfangshürde ist allerdings etwas höher, das Risiko dafür geringer, denn Voraussetzung für eine Teilnahme an Servas – als Reisender und Gastgeber – ist ein Interview mit der Landeskoordinatorin.
Hinter der 1949 gegründeten Organisation steht die Idee der Völkerverständigung, Reisende suchen Kontakt mit den Menschen vor Ort. So auch Walter Dieringer, seine Frau Birgitt Sinnhuber und ihr 15-jähriger Sohn. »Wir wollten vor allem unserem Sohn vermitteln, dass es auch andere Lebensweisen und andere Kulturen gibt. Wenn man bei Einheimischen wohnt, erlebt man, welche Probleme sie haben, was sie berührt und wie sie ihren Alltag leben. So haben wir etwa bei einer russischen Familie in Estland erfahren, welchen Nachteilen diese Minderheit ausgesetzt ist. Zu Hause verfolgt man dann die Nachrichten über die bereisten Länder viel aufmerksamer, weil man einen Bezug zum Land und den Menschen hat.« Aber auch als Gastgeber bekam die oberösterreichische Familie Einblicke in andere Lebensarten. Eine Frau aus Australien erlebte bei ihnen das erste Mal Schnee.
Birgitt Sinnhuber (Zweite von links) und Sohn Felix (rechts) mit ihren estnischen Gastgeberinnen, die sie über »Servas« kennengelernt haben.)
Hat die Familie jemals Bedenken gehabt? »Man weiß ja nicht, wer kommt. Nicht mit jedem ist man sofort auf einer Wellenlänge. Aber wir haben nie etwas Unangenehmes erlebt.« Sehr schlimm kann es auch nicht werden, weil der Aufenthalt mit Servas auf zwei Tage bei einem Gastgeber beschränkt ist. Das empfindet Walter Dieringer als sinnvoll. »Es ist auch anstrengend, Gast zu sein. Irgendwann möchte man dann gern wieder seine Privatsphäre.« Bei ihren Reisen mit Servas empfinden sie daher einen Mix aus Servas-Unterkünften und Hotels als ideal.
HAUS UM HAUS
E.H. urlaubt in fremden Häusern, während deren Besitzer in ihrem logieren.
Eine von manchen als riskanter empfundene Form, kostenlos in einem anderen Land zu wohnen, ist, Häuser oder Wohnungen zu tauschen. Da man meist zeitgleich im Haus eines Gastgebers lebt, während der Gastgeber im eigenen Haus wohnt, muss das Vertrauen entsprechend höher sein. Seit E.H. vor sieben Jahren das Häusertauschen entdeckt hat, macht sie keinen klassischen Urlaub im Hotel mehr. Trotz eines Restrisikos ist sie von dieser Urlaubsform restlos überzeugt. »Es ist eine ganz andere Qualität von Urlaub. Man hat das Gefühl, im Land zu leben, man bekommt Anschluss an die Menschen und eine ganz andere Nähe zum Land.« Aber man sollte Vertrauen haben und nicht allzu pingelig sein. »Man muss schon damit rechnen, dass hinterher in der eigenen Wohnung nicht alles am gewohnten Platz ist oder dass einmal ein Teller kaputtgeht.« Die erfahrene Haustauscherin rät, vorher abzuklären, wie viel hinterher geputzt wird, ob Rauchen erlaubt ist oder ob vorhandene Lebensmittel verwendet werden dürfen. Alle ihre Gastgeber hat sie bisher als sehr offen, tolerant und großzügig erlebt. So war sie in den USA in einem »Schloss« mit sechs Schlafzimmern untergebracht. Dass die amerikanischen Gastgeber im Austausch in einem Gartenhaus im Seewinkel gewohnt haben, hat diese aber nicht gestört. »Man muss einfach ehrlich sagen, was die Gäste erwartet. Den meisten geht es nicht darum, dass sie genau das Gleiche bekommen, wie sie geben.«
E.H. kann sich mit Haustausch öfter Urlaub gönnen und wählt manchmal Destinationen, die sie gar nicht beabsichtigt hatte. Fünf Wochen Karibik hätte sie sich auf klassischem Wege nicht leisten können. Und von einem fast 80-jährigen Ehepaar mit Blumen im Haar abgeholt zu werden, hätte sie auch nicht erlebt.
EINE COUCH FÜR JEDEN
Sarah Trucksess reist für ein Bett um die halbe Welt.
Couchsurfen ist mehr als ein kostenloser Schlafplatz. Es ist eine andere Art, ein Land, Leute und deren Kultur kennenzulernen. Die finanzielle Ersparnis ist ein zusätzlicher Bonus«, erklärt die 25-jährige Sarah Trucksess aus Oberösterreich ihre Motivation, mit dem CouchSurfing-Netzwerk andere Länder zu bereisen. Jeder, der möchte, kann einen CouchSurfing-Schlafplatz in seiner Wohnung zur Verfügung stellen oder einen nutzen. Klingt einfach. Ist es nicht riskant, bei Unbekannten zu wohnen oder Fremde bei sich zu beherbergen? Sarah Trucksess hat bei ihrer Weltreise nach dem Studium keine einzige böse Überraschung erlebt. Im Gegenteil, sie wurde zusätzlich zur Beherbergung vom Flughafen abgeholt, zum Essen eingeladen oder auf Reisen mitgenommen. Und sie erlebte Dinge, die sich bei einem Cluburlaub auf abgesichertem Terrain sicher nicht ergeben. So wurde sie zu einer Frauenrunde auf den Fidschi-Inseln eingeladen und schlief in der Hütte des Dorfoberhaupts.
CouchSurfing bietet eine gewisse Sicherheit durch ein Referenzsystem. Jeder CouchSurfer kann bewertet werden, die Beschreibung kann von jedem CouchSurfer gelesen werden. Sarah Trucksess: »Anfangs war ich schon sehr unsicher, auch weil ich alleine unterwegs war. Aber ich habe so gute Erfahrungen gemacht, dass mir am Ende überhaupt kein Gedanke mehr kam, dass etwas nicht klappen könnte. Natürlich ist CouchSurfen nicht mit einem Hotel vergleichbar und man muss nehmen, was kommt. Dafür kann man aber auch Positives nehmen, das unerwartet kommt.« Kritisiert wird manchmal, dass Leute nur einen kostenlosen Schlafplatz ausnutzen wollen. Sarah Trucksess, die ja auch Gäste beherbergt: »Das gibt es natürlich auch, das stört mich aber nicht. Man kann nicht Gastfreundschaft erwarten, wenn man nichts gibt.«
URLAUB AUF PRIVATER BASIS
Gastgeberorganisationen: www.couchsurfing.comwww.servas.org | www.hospitalityclub.org
Häusertausch: www.knowyourtrade.com – Iistet alle Häusertauschseiten auf.
Nur in Englisch: www.geenee.com | www.spaceXchange.de | www.jewettstreet.com | www.homeforexchange.com
Mitwohnzentrale: www.mwz.at
Artikel von Christa Langheiter in der Monatszeitschrift „Welt der Frau“, Juni 2008, http://www.welt-der-frau.at ; der Originalartikel wurde auf einem Multifunktionsdrucker eingescannt