Dienstag, 18. Feber 2020
Wir machten uns – das dritte Mal bereits in diesem Jahrzehnt- auf den Weg in die Stadt der Engel. Der Sinn und Zweck war abermals, eine der 1938 in Wiesmath, NÖ, verlorenen Nachbarinnen, Frau Hansi Katz, geb. Jaul, nun 94jährig, und ihre Familie, ihre Töchter, Niza und Ruth sowie ihren Schwiegersohn Mark zu besuchen.
Wir wohnten zuerst in einer Tauschwohnung am Beverly Boulevard. Die Ankunft war ein wenig abenteuerlich. Niza und Mark hatten uns vom Flughafen abgeholt und zur Adresse gebracht, aber vor dem Gittertor angekommen, merkten wir, dass wir einen Code brauchten um ins Condominium, ein Reihenhaus, eintreten zu können. Mika, die junge Wohnungsbesitzerin, hatte uns keinen angegeben, außerdem fehlte uns auch die Türnummer. Guter Rat ist teuer, würde man bei uns sagen; in LA nicht, da braucht man nur eine zufällig vorbeieilende junge Frau nach Mika zu fragen und schon ist das Rätsel gelöst. Ja, sie kenne Mika, sei eine Studienkollegin: der Code sei 2323 und die Türnummer 38. Sie begleitete uns sogar bis zur Wohnung, aber war dann sogleich verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt.
Etwas ungewöhnunglich sah es auch im Inneren der Wohnung aus: dreietagig, vom winzigen Eingangsbereich führte eine Treppe nach oben zu einem Arbeitsraum, der wie eine Art Galerie offen zum Wohnzimmer war, und eine Treppe nach unten in den großen und vor allem hohen Salon mit Küchenecke und Esstisch. Eine Etage weiter unten fanden wir ein dunkelblau ausgemaltes Schlafzimmer mit brauner Bettwäsche und einen Arbeitsraum, außerdem 2 Badezimmer und drei Toiletten. Das Auffallende jedoch war der Geruch; zuerst war mir nicht klar, wie ich ihn definieren sollte, dann fanden wir in verschiedenen Ecken Schüsseln und Plastikspielzeug und an einer Wand ein Hundegemälde: ja, es roch genau danach, nach Hund. Für Nichthundebesitzer gewöhnungsbedürftig. Ansonsten fanden wir uns schnell zurecht und genossen Raumweite und -höhe; mussten uns allerdings daran machen für die zweite Woche eine andere Wohnung zu suchen, da uns Mika mitteilte früher zurück kommen zu müssen und wir die Wohnung früher verlassen sollten, als ausgemacht war. Die Homeexchangeagentur half uns dabei, schrieb (vergeblich) Adressen an und bezahlte schließlich auch das Hotel, als die einzige Zusage dann auch nicht klappte. Die zweite Woche übersiedelten wir daher in ein einfaches Hotel ganz in der Nähe des Crescent Heights Blv, ein großer Vorteil, da wir zu Fuß zu Hansi Katz und family gehen konnten.
Aber zuerst sind wir einmal in 5 Minuten Gehweite zum Santa Monica Boulevard. Wir erkunden die Gegend. Schöne, aber einfache Häuser, die sich den Hang in mehreren Reihen hinaufziehen, mit kleinen Vorgärten, Palmen, Bananenbäume, Platanen, gepflegte Rasenstücken davor. Kaum Menschen auf den Gehsteigen. Ein riesiges Einkaufszentrum, das Century City Center ist in 10 minutes walking distance. Etwas müde schleppen wir uns dahin, ein Modegeschäft neben dem anderen, Schuhe, Swarovsky usw, nichts, was unser Herz und Hirn in Bann ziehen würde. Wir gehen in eine Pizzeria, werden geseatet, obwohl das halbe Lokal leer ist, haben Mühe mit der Speisekarte, weil man sich jedes Detail zu einer Pizza aussuchen muss. Wir bekommen zwei kleine vegetarische Dinger und sind zufrieden. Am Nebentisch spielt es sich ab: eine junge Mutter mit zwei kleinen Kindern haben ein Schlachtfeld vor sich, jede Menge Plastikbecher, angebissene Pizzas, Brote, Salate, Kuchen, kunterbunt gemischt. Die Kinder wetzen unruhig hin und her, die Mutter ist mit dem Handy beschäftigt, zahlt. Dann wirft ein Kind einen vollen Plastikbecher um, der Saft rinnt über den ganzen Tisch, plätschert auf den Boden. Die Mutter zuckt kaum mit der Wimper, packt schnell alle Sachen und sie verlassen in Windeseile das Lokal. Auch der Kellner, der nach einer Weile auftaucht, scheint gar nicht erstaunt zu sein. Ohne das Gesicht zu verziehen, sortiert er das Geschirr, wischt den Tisch auf, räumt alles weg. Das fällt mir auch im öffentlichen Bus auf, überall geht alles ruhig vor sich, auch wenn nervige Dinge passieren.
Mittwoch, 19. Feber 2020
Am nächsten Tag holen uns Niza und Mark am Nachmittag ab um zu Hansi zu fahren. Wir waren ja der Meinung, wir wohnten nicht weit weg, tatsächlich ist es derselbe Stadtteil Westhollywood, aber trotzdem fährt man 20 Minuten mit dem Auto durch starken Verkehr.
Den Santa Monica Boulevard Richtung Westen. Hansi wohnt mit Ruth, der zweiten, jüngeren Tochter im „big house“, Niza und Mark wohnen im „little house“, einer Art Garconniere, zu der sie 3 Jahre davor die ehemaligen Garage eingerichtet und erweitert hatten um Hansi besser betreuen zu können. Vorerst lebten sie je ein halbes Jahr hier und das andere in ihrem Haus in Westvirginia. Nun ganzjährig, denn Hansi lässt sie nicht mehr weg.
Hansi freut sich sehr über Lorenz‘ Besuch, ist gerührt, thront in ihrem Lehnsessel vor dem Fernsehapparat, Pudel Eddy ist ebenfalls begeistert von unserem Besuch, ein allerliebster semmelfarbiger Hund, den Hansi immer um sich hat und der meine Abneigung gegen Hunde beinahe zum Fallen bringt. Spazierengehen, Arztbesuche und dgl. müssen natürlich Niza und Mark besorgen. Hansi und Lorenz reden wieder über „Wiesmath things“ wie schon vor zwei Jahren, stundenlang, während ich mit Eddy spiele, viel mit Niza und Mark rede, im Garten die Pflanzen bewundere, den Zitronenbaum in voller Blüte, duftend, Kumquat mit Früchten (winzigkleine Orangen, die bittersauer und mir sehr gut schmecken), rot blühende Bougainvillea. Mark zeigt mir sein in seiner Werkstatt selbstgebasteltes Puppenhaus und erklärt mir, wie und warum er das mache. Für die 6 Monate alte Enkelin Zoe, die sie nicht besuchen könnten, weil sie von Hansi nicht so leicht wegkommen. Ja, eigentlich baue er gerne Modellflugzeuge, aber dafür habe er hier keinen Platz. Ihr Haus sei in Westvirginia, wo sie seit 3 Jahren nicht leben können, weil Hansi sie brauche. Alles dreht sich um Hansi, wir auch.
Donnerstag, 20. Feber 2020
Am dritten Tag fahren wir per Bus zur Santa Monica Beach, wir sind noch etwas verloren, brauchen lange, bis wir die Busstation finden. Kaum Menschen im Bus, Frauen, Alte, Arme, auch Touristen wie wir. 75 Cent kostet ein Ticket! Man muss mit Münzen zahlen, wir sind immer in Panik, dass wir nicht genug haben. Komisch, dass uns das hier stört, ja wir sind eben Netzkartenbesitzer und Ticket bezahlen nicht gewohnt! Eine 3/4 Stunde dauert die Fahrt, vorbei an einer riesigen Mormonenkirche samt Park, Wohnhäusern verschiedenster Qualität von alt und hässlich bis funkelnagelneuen Glaspalästen. Nahe am Ozean steigen wir in einer Fußgängerzone aus, spazieren herum, sehen zuerst gleich einen jungen Mann unbeweglich auf einer Bank liegen, ein Wächter in Uniform kommt, spricht ihn höflich mit „Sir, can you hear me?“an. Als er keine Antwort erhält, verständigt er einen Einsatzwagen, der in Kürze eintrifft. Ein Uniformierter berührt den Arm des Schlafenden, der wie leblos herunter baumelt. Ich gerate in Panik, befürchte hier dem Abtransport eines soeben Verstorbenen beiwohnen zu müssen. Aber langsam erwacht der Tiefschläfer und richtet sich sogar auf. Wir gehen weiter und drehen uns nicht mehr um. Bunte Stühle laden uns zum Niedersetzen ein. Das Angenehme und das Schreckliche ist hier so eng nebeneinander, dass tiefes Entsetzen wie auch helle Freude immer unangebracht erscheinen. Am Santa Monica Pier gibt es Schausteller zu bewundern; einer hat eine Kröte, mit der er das Publikum belustigt und bezaubert. Ein anderer tanzt Hipphopp, zumindestens glaube ich, dass es das ist. Ganz vorne singt ein langmähniger Hippy in unserem Alter Lieder aus den Siebzigern; endlich kommen Lorenz und ich in Stimmung!
Dann mieten wir uns Räder und fahren den Sidewalk bis Venice, schauen zu unserem Haus am Canal, das wir das letzte Mal hatten und dann rasch zurück zum Pier die Räder zurückbringen und zum Bus um wieder in den Crescent zu kommen. Wir sind zum Dinner eingeladen. Auch Ruth, die jüngere Tochter, ist da und freut sich über unseren Besuch.
Freitag, 21. Feber 2020
Wir sind tagsüber im LACMA, der größten Gemäldegalerie von LA, aber die Ausstellungen sind enttäuschend, etwas über die Kultur der Fidschiinseln, chinesische Seidenmalerei aus dem 14. Jh., viele Nabelschaubilder, die sehr einfach gestrickt sind, außerdem luftverblasene Farbbilder, die Technik wird genau erklärt, aber ich kann mich dafür nicht begeistern. Lorenz aber findet etliches sehr interessant. Abends sind wir zum Shabbatdinner eingeladen. Niza sagt uns, dass dies der einzige Tag sei, an dem sie gemeinsam bei Tisch essen, es gebe Huhn. Hansi wird im Rollstuhl zum Tisch gebracht. Die sieben Kerzen sind angezündet, der Tisch schön gedeckt; in der Mitte liegt ein Tuch mit hebräischen Schriftzeichen bedruckt und einem Goldrand verziert, darunter das Brot. Mark setzt ein Käppi auf, alle stehen um den Tisch herum, er liest auf Hebräisch das Gebet, am Ende stimmt Niza ein, es wird zu einem Gesang. Dann bricht sie das Brot, reicht jedem ein Stück, die Weingläser werden gehoben. Niza fordert uns auf, das Stück Brot zu essen und den Wein zu trinken. Dann setzen sich alle und es werden die Speisen herumgereicht, Hühnerstücke auf zwei Tellern, rotes und weißes Fleisch. Dazu Salate und Kugel, das ist ein süßer Nudelauflauf. Es wird ein wenig gesprochen, vor allem über koscheres Essen, wie man es macht, wo man es bekommt. Dann über Jiddisch, wer es gesprochen hat, welche Wörter oft vorkommen, im Amerikanischen gebräuchlich sind, z. B. KVETSCH, heißt so viel wie raunzen. Hansi wird bald müde und auch wir brechen auf.
Samstag, 22. Feber 2020
Es ist Shabbat, wir haben „day off“ und fahren daher ins Getty Center per Bus. Es dauert mehr als eine Stunde, dazwischen sind wir immer wieder unsicher, ob es wirklich einen Anschluss gibt, aber allmählich wird unser Vertrauen größer, denn wir gelangen direkt hin, gehen sogar zu Fuß einen von Mimosas eingerahmten Weg hinauf zu dem tempelähnlichen riesigen Gebäude, während eine endlos lange Schlange auf die Tram wartet. Oben auf dem Eingangsplatz setzen wir uns zuerst einmal an eines der einladenden Tischchen und essen unsere Jause; die Sonne scheint, es ist eher kühl, wir genießen den Ausblick über die Stadt bis zum Ozean, schauen das Programm an und entscheiden uns beide für die Käthe Kollwitz-Ausstellung. Es wird vor allem ihre Technik dargestellt, aber auch ihr Leben und Werk erklärt.
Es fesselt mich nicht. Auch in den weiteren Ausstellungen geht es mir so. Da ist wohl viel zu sehen, aber nichts zu spüren. Und ein dichtes Gewurl von Menschen in jedem Raum. Wir machen uns auf die Suche nach einem Gemälde, das Lorenz seit Jahren fasziniert, eine Ehebrecherin ist gefangen genommen wordne, Jesus schaut ihr in den Ausschnitt. Tja, Jesus einmal anders. Auch die Überblickführung enthält nichts, was mich berührt. Ich finde alles so nach außen gekehrt spektakulär, innen jedoch leer. Wir gehen in den Garten, alle Pflanzen nur frisch, weil sie künstlich bewässert werden, Narzissen, Tulpen, wie bei uns im Frühling.
Ja, wir haben alles schon mal gesehen. Dann brechen wir auf, fahren nun doch mit der Tram hinunter und warten zweisam auf den Bus, wieder unsicher, ob der wirklich kommt, er und auch noch drei andere Passagiere warten schließlich, einer davon ein junger ca 18jähriger Mann, hippymäßig gekleidet, Sonnenblume im Haar, buntes T-Shirt, bunte Armbänder, Fingernägel schwarz-weiß lackiert, 2 Getränkedosen hat er in der Hand, fährt sicher auf eine Party. Gegenüber sitzt ein zweiter junger Mann, ohne irgendwelche besonderen Merkmale, so einen könnte man überall in Europa sehen. Alles bekannt, unsensationell, ja sogar vetraut, bis auf die großen Busintervalle.
Sonntag, 23. Feber 2020
Wir wieder bei den U., bestehen aber darauf, das wir zu ihnen mit dem Bus fahren „dürfen“, diesmal, ja weil es Sonntag ist, klappt es nicht so gut. Wir müssen schließlich ziemlich weit zu Fuß gehen, wie immer haben wir das unterschätzt, kommen ein wenig zu spät. Unsere Servas-Freunde Shih und Dennis, die sich im letzten Jahr mit den U. angefreundet haben, sind schon da. Wir freuen uns über das Wiedersehen. Lorenz redet endlos mit Hansi, alle sind beeindruckt von seiner Geduld. Nach dem Essen unterhalten sich Dennis und Mark darüber, wie sie beide in den 70er Jahren unterschiedliche Wege gefunden hatten sich dem Befehl zum Sterben im Vietnam-Krieg zu entziehen. Das war fesselnd!
Um 7 Uhr machen wir uns auf den Weg zum Wallis, einem Konzerthaus, in dem Niza und Mark auch noch nie gewesen waren. Wir hören ein Klavierkonzert, eine Bachspezialistin, wirklich speziell, sie schlägt in die Tasten, mir kommt vor, ohne viel Gefühl , aber bitte, ich kenn mich wirklich nicht aus und es ist eben nichts Romantisches. Mir gefällt es jedoch, in einem Konzertsaal zu sitzen, zu hören, zu genießen.
Montag, 24. Feber 2020
Übersiedlung ins Hotel . Niza und Mark holen uns ab. Dann fahren wir nach Hollywood in einen Park, den Runyon Canyon, vorbei an zwei architektonisch interessanten Villen und an einem community garden, in dem man ein Fleckchen Erde mieten und bebauen kann. Es geht eine asphaltierte Straße bergauf, wieder fällt mir auf, dass es sehr trocken ist, kaum frische Pflanzen gibt. Angenehm ist freilich, dass man hier keine Autos hört, es wird sehr warm. Niza erzählt mir viel von der Familie, ihren Sorgen, ihrer Sehnsucht nach mehr Unabhängigkeit. Abwärts nehmen wir den sandigen Pfad, d. h., ich möchte unbedingt und ergreife die Initiative, werde als guide bezeichnet, die anderen folgen mir; allerdings muss ich bald feststellen, dass ich mich zu wenig nach ihrer Kondition erkundigt habe und sie leicht überfordert sind. Es ist steil und rutschig. Lorenz und Mark müssen Niza an beiden Armen festhalten, damit sie nicht aus dem Gleichgewicht gerät und stürzt. It was a challange. Sie waren froh wieder einmal gegangen zu sein, sagen sie uns freundlich nach überstandenen Ängsten!
Abends sind wir dann im Hotel direkt am sechsspurigen Beverly Boulevard, laut und etwas sehr einfach, keine Klimaanlage, zuerst ein wenig zu kalt, dann etwas zu heiß. Kein Problem, dafür kriegen wir keine Verkühlung. Am nächsten Tag besorge ich uns Ohrstöpsel, da wird dann wieder durchgeschlafen.
Dienstag, 25. Feber 2020
Wir sind zum Frühstück eingeladen. Wir besorgen Bagel in der Bäckerei, die mir Mark empfohlen hat. Wir sitzen dann lange und warten auf Shih, die versprochen hat, uns abzuholen und mit uns in einen Park zu fahren. Sie verspätet sich, weil ein Handwerker sie sitzen hat lassen. Kein Ausdruck des Ärgers, ganz ruhig erzählt sie uns, was ihr passiert ist. Aber dann geht es los, 2 Stunden sind wir unterwegs in dichtestem Verkehr über die Freeways. Endlich gelangen wir zu dem Park Descanso Gardens, Shih ist Member, darf einen von uns umsonst mitnehmen. In der Anlage fallen gleich die Camelienbäume und Sträucher in voller Blüte auf, aber vor allem wieder die Trockenheit! Nur dort, wo gerade gegossen wird, ist es frisch grün, ansonsten staubt es und spüre ich das Leiden der Pflanzen. Wir gehen einen Hügel hinauf, oben befindet sich das Landhaus der reichen Familie, die diese Anlage gestiftet hat. Man kann das Haus besichtigen, das Wohnhaus einer reichen Familie vor ca 50 Jahren. Da ruft plötzlich jemand „Shih, hi!“ Shih dreht sich um und begrüßt eine junge Frau, die sie von Servas kennt. Wir machen ein nettes Foto und gehen dann mit Mary und ihren beiden Buben, die eine italienische Schule besuchen, wieder zum Ausgang zurück. Um 5 Uhr wird der Park gesperrt.
Shih führt uns dann noch nach Chinatown, wo wir ein chinesisches Restaurant besuchen, zuerst gehen wir noch ein wenig spazieren, es ist sehr ruhig, kaum Menschen auf den Gehsteigen und in den Geschäften, auch das Lokal ist fast leer: Corona-Virus. Man scheint nicht mehr in die Chinatown zu gehen. Wir können es kaum glauben, dass das so eine Wirkung haben kann. Kein Gedanke daran, dass uns das auch treffen könnte. 3 Wochen später erleben wir die Entleerung auch in Wien.
Abends wieder bei den U.s.
Mittwoch, 26. Feber 2020
Dennis verbringt den Tag mit uns. Niza glaubt nicht an die Busse, sie führt uns zu Dennis‘ Wohnung in der Beethoven Street. Spaziergang an der Venice Beach, nette Standl mit Kunsthandwerk, Musiker, eine ältere Frau singt wunderbaren Blues, mich packt die Tanzlust, ich kann sogar Lorenz zu ein paar Tanzschritten bewegen. Marihuanageruch in der Luft, Muscles Beach, wo Schwarzenegger einst trainiert hat, etwas heruntergekommen sieht alles aus, lässig, mir gefällt das, dann Picknick unter Palmen mit Möwenbesuch. Ich gehe kurz ans Meer, würde gerne ganz lange dort sitzen, den Wellen zuschauen und ihr Rauschen hören, aber Dennis wartet im Café auf uns.
In einer Seitenstraße sehen wir dicht an dicht die blauen Planen der Obdachlosen, drei Polizisten gehen dort umher, sprechen die Leute in den Zelten an, keiner kümmert sich darum.
Donnerstag, 27. Feber 2020
Wir sind mit Niza nach Malibu unterwegs. Sie zeigt uns die Uni, UCLA, wo sie selbst studiert hat und Lorenz gerne studiert hätte, eine sehr schöne Anlage, rostrote Gebäude dazwischen Rasen mit Statuen, Henry Moore und Miro. Hansi ruft ihre Tochter an, sie muss mit ihr lange telefonieren. 2 Stunden Fahrt nach Malibu, die Küste entlang, alles verbaut, wir besichtigen das Adamsons house, die Villa eines reichen Fabrikanten direkt am Meer mit orientalisch anmutenden Fliesen, die damals eine Fabrik in der Nähe eigens herstellte. Es führte sogar eine Eisenbahnlinie dorthin. Die gibt es längst nicht mehr. Der Garten rundum ist wunderschön angelegt. Er grenzt direkt an die Lagune, wo wir dann ein wenig spazieren gehen. Anschließend picknicken wir im Hof eines Einkaufszentrums, das Niza von Ausflügen mit Tochter Daniella kennt.
Am Nachmittag sind Eli, Hansis Neffe, und seine Frau Mary zu Besuch. Von unserem letzten Aufenthalt wissen wir, dass die beiden in der Familie großes Ansehen genießen. Sie sind religiös und ziemlich wohlhabend, reisen häufig in der Welt herum; kommen grade von einer Vietnamreise zurück, von der sie erstaunt erzählen, dass die Vietnamesen den Krieg ganz anders sehen würden. Vom Corona-Virus ist die Rede, aber keine Sorge, dass die Epidemie wirklich auch nach LA kommen könnte. Das Gespräch geht um verschiedene religiöse Rituale. Sie kündigen uns an, dass sie vorhaben im September nach Wien zu kommen, müssen aber bald aufbrechen, weil sie Gäste erwarten. Wir freuen uns und notieren den Termin.
Abends hole ich mit Mark Essen aus einem Thai-Restaurant, Bier holen wir aus der Pharmacy, es schmeckt allen bestens.
Freitag, 28. Feber 2020
Abreise. Wir treffen pünktlich am 29.2. in Wien am Nachmittag ein. Ab da gibt es nur mehr Corona-Virus.
Engel haben wir wieder keine gesehen, dafür viel Familie und noch mehr Obdachlose, Arme und Verrückte als das letzte Mal. Vielleicht aber war die junge Frau, die uns am Anfang in die Wohnung geholfen hat, einer, vielleicht war der junge Hippy einer, vielleicht die Bluessängerin. Immer wieder sagte uns die Familie, dass wir ihnen so gut täten. Wir ihre Therapeuten und auf jeden Fall friends forever seien. Von Engeln kann nicht die Rede sein!